haters gonna hate, bakers gonna bake – Control

Exzellente Szene in Anton Corbijns CONTROL:

77 Barton Street, Macclesfield, Nordwesten Englands –
Ian Curtis, jung verheirateter Joy Division-Sänger tritt aus der Tür auf die schwarz-weiße Straße. Die Haare sind sorgsam gelegt, er trägt ein weißes Hemd mit Krawatte, dazu einen Mantel, dessen mächtiger Kragen wie ein Schutzwall vor der Welt aufgestellt ist. Curtis läuft, von E-Gitarre, Bass und Schlagzeug begleitet, die Straße hinab zur Arbeit, blinzelt schläfrig und abschätzig in die Sonne, zündet sich im Windschatten der Klinkerbauten eine Kippe an. Nachdem die Kamera eine Minute lang halbnah vor Curtis hergeeilt ist, dreht sie sich ihm seitlich aus dem Weg, um ihn den Rest des Weges zu verfolgen. Sofort leuchten vier tragisch sinnbildliche Lettern weiß auf dem Mantelrücken:
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In einem Traum vor ein paar Tagen überraschten mich plötzlich C und K statt H und T auf dem Mantel, was Fragen eröffnet: Wie hätte das wohl im Film gewirkt und wie schön und heiter hätte CONTROL werden können? Hm…Mhh.

OT: „Control“, Regie: Anton Corbijn, Großbritannien 2007, 122 Minuten.

Ein Film in 13 Bildern

Shirley – Visions of Reality

Die Gemälde von Edward Hopper „inszenieren Realität“. Sie wirken wie eine Moment- aufnahme aus dem Leben ihrer Protagonisten. Eine Frau steht am Fenster. Sie ist allein im Raum und wendet dem Publikum den Rücken zu. Ihr Blick ist in die Ferne gerichtet. Was sieht sie wohl? Woher kommt sie? Wohin wird sie gehen?

Hoppers Bilder erzählen eine Geschichte, wie der Film von Gustav Deutsch. In 13 Bildern von Hopper erzählt dieser von 30 Jahren aus dem Leben von Shirley (Stephanie Cumming) und ihrem Partner Stephen (Christoph Bach). Sie ist Schauspielerin und Ensemblemitglied am Group Theatre und Living Theatre. Shirley wandert durch die Bilder und verbindet diese durch ihre Lebensgeschichte. Das Publikum übernimmt eine voyeuristische Rolle, es betrachtet die Bilder, die nie verlassen werden, durch den meist statischen Blick der Kamera. Nur die Personen bewegen sich, legen ein Buch beiseite, machen das Licht an oder aus und greifen zu einer Zigarette. In einem Zugabteil beginnt Shirleys Reise. Sie nimmt uns mit in ein Hotelzimmer, zu ihrem Lebenspartner in ein Zimmer in New York, in ein New Yorker Kino bzw. ein Büro bei Nacht in denen sie arbeitet, wenn es mit ihrer Schauspielkarriere gerade nicht gut läuft. All das sieht der Zuschauer. Er sieht wie die Bilder lebendig werden, sich langsam zu einer Geschichte verknüpfen. Er beobachtet das Spiel mit Licht und Schatten, mit Farben, Räumen, Kanten und Winkeln. Ein Film, der aus 13 Bildern von Hopper besteht und diese nicht verlässt.

OT: „Shirley – Visions of Reality“. Regie: Gustav Deutsch. Österreich 2013, 92 Minuten.

Das Leben ist eine einzige Party.

Solch eine abgedroschene Lebensweisheit sollte sich nicht unbedingt zu Herzen genommen werden, Baz Luhrmann tut dies jedoch in seinem neuen Film: Der Große Gatsby. Mit der Weisheit: Weniger ist mehr, nimmt er es jedoch nicht so genau. Der Film glitzert, schillert, leuchtet; farbenfroh, laut, gewaltig und in 3D. Und auch wenn er nur zweidimensional gesehen wird, fallen die vielen, extra für die moderne 3D-Technik gestalteten Bilder auf. Der Vor- und Abspann, die sich auf einen zubewegenden, wegschwebenden Rechtecke, der Blick an Leonardo DiCaprio vorbei auf die überzeichnete, digital erzeugte, künstliche Bucht, die fallenden Hemden, das glitzernde Konfetti. Und nicht nur die Kulisse ist künstlich überzeichnet, auch bei den Kostümen und Darstellern wurde sich viel Mühe gegeben, alles natürliche in den Hintergrund zu drängen. Die Tatsache, dass Carey Mulligan vor lauter Tiffany-Diamanten selbst fast nichtmehr zum strahlen kommt ist hier nur ein Nebeneffekt.

gatsby© WARNER BROS

Nicht nur die Juwelier-Kette verdient gut an dem opulenten Aufgebot, auch Prada, Miu Miu oder Jay-Z haben mitgemischt. Und so ergibt sich ein fulminantes, bis zum Ende vollgepacktes Werk, von dem der Zuschauer in den Kinositz gedrückt wird. Staunend und sprachlos – ob mit positiven oder negativen Gedanken, muss jeder für sich selbst entscheiden.

OT: The Great Gatsby. Regie: Baz Luhrmann. USA 2013,  142 min.